Wenn Bangkok berauschend ist, Kuala Lumpur beeindruckend, dann passt „atemberaubend“ am besten zu Hong Kong. Wir stehen hoch oben über der Stadt, auf dem „The peak“, eines der touristischen Highlights dieser Weltstadt und sind fasziniert von dem, was wir sehen. Wir werden nicht satt von dem Anblick hinunter auf die Stadt. Doch wir stellen fest: Egal, wo wir an diesen drei Tagen in Hong Kong stehen, laufen oder sitzen, wir staunen. Über das viele Grün, die Berge ringsum, die Massen an Menschen, die riesigen Wolkenkratzer, die zu Hunderten mit ihren glänzenden Fassaden emporragen, die wunderschöne Meerenge Victoria Harbour, die Hong Kong Island von der Halbinsel Kowloon trennt, über Schlangensuppe als Delikatesse, das geschäftige Treiben am Temple Street Market und noch so vieles mehr.
So viel Beton und gleichzeitig so viel Natur. Nur etwa 25 Prozent von Hong Kong sind bebaut. Schon von oben beim Anflug auf die die Metropole können wir das erkennen. Steilste Berge, fast keine Ebenen, dafür aber viel Wasser und diese 263 Inseln, von denen nur die wenigsten bewohnt sind. Auf jenen wiederum leben mittlerweile über sieben Millionen Menschen. Die Menschen drängeln sich auf nur etwa 270 Quadratkilometer. Dazu kommen jährlich 50 Millionen Touristen, die Hong Kong besuchen. Der Platz ist rar. Das merken wir in jedem Moment in dieser Stadt. Ob auf der Straße, in der U-Bahn oder beim Zählen der Unmengen an Hochhäuser. Ihre Anzahl lässt uns immer wieder aufs Neue ungläubig hinschauen.
Was uns in der Stadt auffällt: der völlig andere Bezug zu Platz und Nähe in dieser Stadt. In den zwei Tagen laufen mir und Nina etwa geschätzte 20 Hong Kong-Einwohner in den Körper. Völlig normal in dieser Stadt. Das wird mir klar, als ich auf einer Fähre beobachte, wie ein Chinese auf einen sitzenden Landsmann fällt. Eine Entschuldigung, eine erklärende Geste? Weder noch. Schweigend rappelt sich der eine auf, während der andere aus dem Fenster schaut als sei nichts geschehen. Die Menschen hier haben eine andere Schmerzgrenze, was die Nähe zu anderen Menschen betrifft. Kein Wunder, wenn man sich so drängeln muss. Alles ist darauf eingerichtet, möglichst gut und schnell, die Massen abzufertigen. Deshalb gibt es Bahnpersonal, das die Menschen in die U-Bahn quetscht. Deshalb steht in Hong Kong der Central Escalator, ein System aus 20 Rolltreppen und drei Förderbändern, das die Menschen 800 Meter weit und 135 Meter hoch transportiert – die längste überdachte außenstehende Rolltreppe der Welt. Es gibt ein Bezahlungsmittel namens Octopus, eine aufladbare Karte, die das Bargeld im Stadtleben so gut wie abgeschafft hat. Man spart dadurch Zeit, hat kaum Schlangen vor Kiosken und Schaltern. Hong Kong erscheint in vielerlei Hinsicht wie die Zukunft der Welt. Wenn man die frei zugänglichen Laptops und Drucker am Flughafen sieht, den kostenfreien Zutritt zu Zoo oder botanischen Garten, die Möglichkeit, mittags mitten in der Stadt sein Gepäck für den Flug abends am Flughafen einzuchecken, dann glaubt man das sofort.
Altes hat kaum noch Platz in dieser Stadt. Historische Stadthäuser werden abgerissen, um Platz für neue große Stahl- und Betonbauten zu schaffen. Die Stadtplaner müssen den Ansprüchen der großen Bevölkerung gerecht werden und das, obwohl die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau in der Welt nur in Macau geringer ist. Für die Massen hat man fast 70 Quadratkilometer an Land dem Meer abgewonnen, um dort Planstädte zu errichten. Hunderttausende sind dort untergekommen. Sie stehen in Mengen in den „New Territories“, wie dieser Stadtteil auf der Festlandseite treffenderweise genannt wird.
Das große Problem für viele: die Miete. Wohnraum ist so teuer, dass die allermeisten in den von der Regierung gebauten Mini-Standard- Wohnungen von 5-30 Quadratmeter leben müssen. Es gibt daneben geschätzt sogar 150000 Menschen, die sich Räume teilen, in denen sie in Käfigen oder Holzboxen schlafen. Ein-Familien-Häuser gibt es grundsätzlich nicht. Schon die Wohnung unseres holländischen Freundes Mark, den wir 2013 während eines Kajak-Ausfluges in Nordthailand kennengelernt haben und bei dem wir übernachten, ist für die Verhältnisse in Hong Kong luxuriös. Er hat drei kleine Zimmer, eine Küche mit Essbereich und ein Bad. Alles in allem etwa 60 Quadratmeter.
Er verdient gut, kann sich somit die horrende Miete leisten. Doch die Preise nehmen zu. Die Hong-Kong-Chinesen machen vor allem ihre Landsleute vom Festland für die steigenden Preise verantwortlich. Die Spannungen sind spürbar, erzählt uns auch Mark. Es gibt weiterhin regelmäßig Demonstrationen gegen China und die Chinesen. Gerne wird dabei auch mal die ehemalige Flagge Hong Kongs gehisst, jene, die den Union Jack zeigt. Viele in Hong Kong befürchten, dass die Identität der Stadt verloren geht und sie sich wegen der „Mainlanders“ ein Leben in der Stadt bald nicht mehr leisten können. Dabei war Hong Kong für Einwanderer stets offen.
Es gibt aber auch andere Seiten Hong Kongs. Wir entdecken sie, als wir am Tag des Abflugs mit der Fähre einen Ausflug auf das 20 Minuten entfernte Lamma Island unternehmen. Alles beginnt mit einem Gespräch auf der Fähre mit meinem Sitznachbar. Es startet wie so viele dieser Unterhaltungen, die man auf Reisen hat. Er ist Holländer und ist an diesem Tag mit Frau und Kind sowie seinem Freund Jos unterwegs. Er ist so offen, wie wir schon viele von unseren Nachbarn auf der Reise kennengelernt haben. Als wir auf der Insel ankommen ist der Plan klar: Wir wollen ein Gläschen zusammen trinken. Der in den Reiseblogs von allen so gepriesene Wanderweg auf der Insel ist Nina und mir in diesem Moment nicht mehr so wichtig. Wir ziehen es vor, den Moment mit Menschen zu teilen, die wir zwar erst kennengelernt haben, die mit uns in punkto Werten so viel teilen, dass es eine Wohltat ist, sich mit ihnen zu unterhalten. Wir glauben, wir kennen uns Jahre.
Die chillige Atmosphäre auf der kleinen Insel tut ihr Übriges. Eine kleine Häuserzeile am winzigen Hafen, Fischerboote, die ankern und ein beschauliches Gässchen, das durch den Ort führt. Wie in Italien. Hong Kong? War da was? Die Megametropole scheint Welten entfernt. Wir essen Seafood, trinken (reichlich) leckeren Weißwein und philosophieren. Darüber, was wichtig ist im Leben. Dass man den Moment leben muss. Dass die Menschenliebe derzeit viel zu kurz kommt. Und dass die Lösungen nur selten im Außen liegen, sondern meist in uns. Der Nachmittag vergeht viel zu schnell. Ganz beseelt treten Nina und ich am frühen Abend den Weg zum Flughafen an. Leicht angeschickert, aber mit dem Gefühl Herzensmenschen getroffen zu haben, die man auf jeden Fall wiedersieht. Und was lernen wir mal wieder: Nicht den Fokus auf die Sehenswürdigkeiten zu legen, lieber mit Menschen ins Gespräch kommen und echtes Leben spüren.
Tja, ja die Holländer! Wollte nur kurz melden, dass wir immer dabei sind und Eure Berichte und Bilder sehr genießen! Danke dafür. Jetzt bin ich sehr auf Eure Eindrücke von Amerika Post-Obama gespannt.
Hey Guys!
Very nice blog 🙂
Cheers,
Jos